Von Werner Gartung
So viel Menschen: offiziell hat Kairo rund 15 Millionen, de facto sind es aber rund 20 Millionen – vergleichbar mit Mumbai oder Peking. Da sagen sich viele: lieber nicht. Aber Kairo ist eine der faszinierendsten Städte der Welt – durchzogen vom mächtigen Nil, viele Wüste und den legendären Pyramiden gleich nebenan. Und ab Ende November – dann nach rund 10 Jahren endlich offen – dem Museum der Superlative, de GEM (Great Egyptian Museum) bei den Pyramiden.
Eine Stunde dauerte die Fahrt vom Flughafen im Osten zum Westen, den Inseln im Nil. Ein Mietwagen zum Selbstfahren wäre hier ebenso ein Fehler wie in Indien: die Autos schieben sich laut hupend immer wieder neu nebeneinander, aber Fahrer Ahmed bewahrt die Ruhe, kettenrauchend. Er bringt uns sicher die gut 20 km zur Nilinsel al Manial ins Nile View Inn. Rund 70 € kostet hier eine Nacht in Premium-Lage – Hotels in Kairo sind nach Corona meist preiswert, selbst das Hilton am Nil ist mit 170 € noch erschwinglich.
Auf dem Nil gleiten Ausflugsboote, Lastkähne und zwei traditionelle Felukken mit dem Dreiecks-Segel. Am Westufer, zur Wüstenseiten hin, leuchten grüne Neonröhren der al-Walid-Moschee in den frühen Abendhimmel, der sich grade schwefelgelb und rot verfärbt. Gesänge der Muezzins überdecken für eine Weile das ständige Rauschen der Megapolis, „Mutter aller Städte.“ Geistiges Zentrum ist noch immer die Al Azhar-Moschee mit ihrer Universität aus der Frühzeit des Islam, 972.
Das Alter ist noch nichts im Gegensatz zu den berühmten Pyramiden von Gizeh, grade mal 15 km westlich vom Nil: über 4.500 Jahre alt, die größten und ältesten Bauwerke der Menschheit. Wir wollen uns ihnen wie in alten Zeiten nähern: mit dem Kamel, dem „Wüstenschiff.“ Das ist gar nicht so einfach und vor allem nicht mehr billig: während der zwei schlimmen Corona-Jahre kamen keine Touristen, viele Kamelbesitzer mussten ihre treuen Begleiter zum Schlachthof bringen, um noch an etwas Geld zu kommen.
„Wir haben viel geweint.“, sagt Ibrahim vor dem Aufsteigen in gebrochenem Englisch, „und wir haben gehungert.“ Er reitet auf einem Pferd voran, wir schaukeln in drei Metern Höhe gemächlich durch die fahlgelbe Weite. Dann schieben sich langsam die Spitzen der drei Pyramiden hinter einer langgestreckten Düne empor: benannt nach den Pharaonen Cheops, Chephren und Mykerinos. Der Besuch der Grabkammer im Inneren der Pyramide ist eng, stickig und trotzdem jedes mulmige Gefühl wert.
Seit Jahrtausenden bewacht die große Sphinx die Grabanlagen von Gizeh und die Pyramide, 73 m lang. Was so lange überdauerte, ist nun die den Bevölkerungsdruck der Moderne gefährdet: seit 10 Jahren wird Grundwasser unter der Anlage abgepumpt, das durch ein Abwassersystem für den benachbarten Ort ständig stieg.
Nur zwei km weiter erhebt sich der moderne Bau des „Conservation Center“ – Teil eines gigantischen Projekts, mit dem Anfang 2002 begonnen wurde. Das „Great Egyptian Museum“, kurz GEM, soll nun endlich Ende November vollständig eröffnet werden – das größte archäologische Museum der Welt, auf gigantischen 50 Hektaren Fläche. Das alte Museum wurde 1902 noch von den britischen Kolonialherren erbaut und platzt schon lange aus allen Nähten. Die Mumien von Pharaonen, Priesterkönigen, die 83 Tonnen schwere Statue von Ramses II finden dann einen neuen, angemessenen Platz – und viel mehr, was vorher in Lagerhallen verstaubte.
Das Ensemble islamischer Baukunst der islamischen Altstadt von Kairo (Islamic Cairo) wurde von der UNESCO im 1979 zum Weltkulturerbe erklärt, 800 historische Bauten drängen sich hier in unglaublicher Dichte wie nirgendwo anders auf der Welt. Das koptische Alt-Kairo entstand innerhalb der Mauern der römischen Festung Babylon. In der Synagoge Ben-Ezra wurde angeblich Moses in seinem Körbchen gefunden. Und in der Krypta der berühmten hängenden Kirche soll die Heilige Familie auf ihrer Flucht nach Ägypten drei Monate Unterschlupf gefunden haben.
Am nächsten Tag geht´s ins Herz des alten Kairo, zum Bab el Nasr, dem Eingangstor von Kairo aus dem 10. Jahrhundert. Wir folgen einer der ältesten Straßen, der El Moez Le Din Allah-Straße. Zeuge des historischen Kairos mit verschiedenen Denkmälern, die auf beiden Straßenseiten verteilt sind, wie zum Beispiel Bab El Fetouh und Bab El Nasr. Wir haben immer wieder interessante Begegnungen mit freundlichen Menschen und essen in typischen Restaurants, können von einem der alten Kaffeehäuser aus das Leben in den Gassen beobachten.
Wir gönnen und zum Schluss das Boutique-Hotel „Le Riad“ in Alt-Kairo mit 17 unterschiedlichen traumhaft schönen Suiten im Stil der Ottomanen, entscheiden uns für die „Bedouin Suite“ mit Kurkuma-gelben Wänden, einem Nomadenteppich mit Intarsien verzierten Möbeln.
Natürlich darf der nahe Khan El Khalili Bazar nicht fehlen einem der ältesten Märkte in Ägypten. Bunte Tücher, Silber- und Goldwaren, Schnitzereien, Kleidung, Gewürze, Schuhe, Trockenfrüchte, Wasserpfeifen, Haushaltswaren, Parfümöle… es gibt fast nichts, was man hier nicht erstehen kann.
Nach drei erlebnisreichen Tagen geht´s weiter nach Amman, Jordanien.
Aber wir kommen bald wieder – für einen Besuch des einzigartigen GEM-Museums bei den Pyramiden.