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Lagos und das „Hinterland“

Lagos und das „Hinterland“

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Nigeria ist viel besser als sein Ruf – und Guide Confidence Spitze

Von Rudolf Nägele

Rudolf Nägele mit Guide Confidence

Die Beamten der Einwanderungsbehörde von Nigeria haben mir am 10. Mai 2022 nach meiner Ankunft am Flughafen von Lagos ein „Business-Visa on arrival“ mit einmonatiger Gültigkeit abgestempelt. Die Zollbeamten haben mich nett durchgewunken und mit einem noch freundlicheren Lächeln wurde ich von meinem Guide, Confidence Aguiyi, in Empfang genommen.
Während der Fahrt bei strömendem Regen zum Hotel fühlte ich mich wie ein Trunkener auf einem anderen Stern. Ich konnte es immer noch nicht glauben, dass ich es nach so vielen Jahren mit fehlgeschlagenen Versuchen es endlich geschafft habe – Confidence sei Dank.
Während der beiden Nächte in Lagos logierte ich im „Hotel Bogobiri House“ – mehr eine kunterbunte Kunstausstellung, als Hotel. Fünf Sterne für dieses empfehlenswerte Drei-Sterne Hotel!
Den ersten Stopp nach dem Frühstück machten wir beim Geburtshaus von Fela Anikulapo Kuti. Auf dem Grundstück befindet sich auch sein Grab. Fela wird auch als der Vater der „Afro Music“ betrachtet, deren Stil er in den 1970-er Jahren geprägt hatte. Er war ein Freiheitskämpfer, Politiker, Menschenrechtsaktivist und multi-talentierter Musiker. Er hat dies mit seinem Saxofon-Spiel und seiner Stimme zum Ausdruck gebracht.
Unser nächstes Ziel war der sogenannte Makoko-Slum von Lagos. Einen Überblick über dieses weit ausgedehnt Gebiet in einer großen Lagune gelegen, konnte man schon bei der Anfahrt von der am meisten befahrenen Autobahn in Westafrika, aus gewinnen. Diese beeindruckende Ansammlung von Pfahlbauten war früher einmal ein kleines Fischerdorf. Das Gewerbe der Fischer blühte auf und so zogen immer mehr Leute dorthin. Doch dann kamen die Trawler Flotten der Norweger und Asiaten und fischten den Golf von Guinea buchstäblich leer.
Als ich mich in der Piroge hingesetzt hatte, wurde meiner Videokamera erlaubt, alles aufnehmen. Etwa eine Stunde lange fuhren wir in den Kanälen herum. Wir wurden überholt, viele Boote kamen uns entgegen, eine einmalige kunterbunte Kulisse, mit Kindern unter den Pfahlbauten in der Kloake schwimmend.
Von der Nike Art Gallery wusste ich vorher so gut wie nichts: Hunderte von bildhaftschönen Figuren von Mensch, Tier und Technik, geschaffen fast ausschließlich aus Metallschrott.
Dann hat mich eine ältere, gutaussehende Dame, auf einer Bank im Vorgarten, angesprochen. Es war Nike Kofo Adeleke, die Besitzerin und Managerin der Galerie. Sie ist die wohl bekannteste Frau in Nigeria. Ich bedauerte das Film- und Fotoverbot. Daraufhin geschah etwas Wunderbares. Sie stand auf, nahm mich an der Hand und erlaubte mit, alles nach Herzenslust zu filmen.
Nach etwa 20 Minuten erschien sie plötzlich im nigerianischen Gala-Outfit nebst übergroßem Hut, so wie sie u.a. auf YouTube-Filmen auftritt. Es hat nicht lange gedauert, bis auch ich in die prächtige Robe eines Königs eingehüllt war. Wir beide hatten auch das für hochgestellte Persönlichkeiten obligatorische Straußenfedern-Zepter in der Hand – ihres aus weißen, meines aus schwarzen Federn, posierten vor einem lebensgroßen Pferd, aus „edelstem“ Metallschrott von Künstlerhand gefertigt.
Den Ausklang dieses bemerkenswerten Tages bildete ein Besuch im Lekki Conservation Centre (LCC), einem von der Regierung großzügig angelegten Natur- und Vergnügungspark. Wegen unserer kurzen Aufenthalts Zeit in diesem Park hatten wir keine Zeit für Afrikas längste Canopy-Brücke. Dafür konnte ich eine hübsche Affenart aus nächster Nähe beobachten.
Am nächsten Tag ging es zum Heiligen Hain der Göttin Osun in Oshogbo. Bei der Hinfahrt mussten wir, wegen Arbeiten an der Autobahn, mehrfach in der Gegend von Ibadan, immer wieder durch Wohnviertel und Dörfer fahren. Jeder scheint zu fahren wie er will, rechts überholen scheint die Regel zu sein, es wird aber so gut wie nie gehupt.
Die Gestaltung des „Heiligen Hain der Göttin Osun“, hat Susanne Wenger geleitet. Die Grazerin hat mit lokalen Künstlern Ende der 1950-er Jahre ein monumentales Werk der Yoruba-Voodoo-Religion geschaffen, seit 2005 UNESCO-Weltkulturerbe: „New Sacred Art.“ Hunderte, von bis zu 20 m hohen Götterfiguren des Yoruba-Glaubens, sind in einem Waldgebiet am Osun Fluss aufgestellt.
Wir besuchten ihr Haus, in dem sie bis zu ihrem Tod mit 94 Jahren lebte – die einzige weiße Yoruba-Priesterin. Eine Betreuerin des Anwesens hat uns durch die verschiedenen Räumlichkeiten mit Hunderten von Artefakten aus dem Leben von Susanne Wenger geführt. Das Haus vermittelt außen wie innen Einblicke in die Geheimnisse des Yoruba-Kultes.
Der Flug zur neuen Hauptstadt Abuja war pünktlich. Auf der Fahrt zu einem Dorf umfuhren wir einen riesigen Felsbrocken. Völlig außerhalb der Saison hat das ganze Dorf für mich eine sagenhafte Show mit afrikanischer Musik und traditionellen Tänzen arrangiert. Alle waren in ihrer Tanzkleidung gekommen. Einige der jüngeren Frauen und Mütter, ihre Vorfahren waren noch Nomaden am Südrand der Sahelzone, waren von bezaubernder Schönheit und Anmut. Die Musik der Diskoplayer war sehr melodisch und hat zum Mittanzen inspiriert.
Ein weiterer Programmpunkt war mein Empfang im Haus des Bürgermeisters. Dann hat der Medizinmann das Ritual einer aufwändigen Voodoo-Krankenheilung zelebriert. Um ihn herum stand nun das ganze Volk, dichtgedrängt in mehreren Reihen. Als die „Geheilte“ nach Krämpfen und spastischen Anfällen wieder allein auf ihren Beinen stehen konnte, gab es spontanen Beifall von allen Seiten.
Nach gut einer Stunde haben wir uns von den Offiziellen der Gemeinde verabschiedet und uns für die Darbietung herzlich bedankt. Auf dem Weg zurück zum Auto, hat uns die nigerianischen Nationalhymne aus den Lautsprechern, begleitet. Ich war wirklich tief davon beindruckt, dass ein ganzes Dorf einem fremden Europäer so eine Show auf den festgestampften Lehmboden zu zaubern vermochte.
Bei den Wasservögeln am letzten Tag am Jabi-See konnte ich die folgenden Arten notieren: Afrikanisches Blässhuhn, Blaustirnblatthühnchen, Schlangenhalsvogel, Zwergtaucher und Kuhreiher. Und das neben einer 20 Millionen-Stadt…
Dann bin ich mit einem Zwischenstopp in Douala/Kamerun, glücklich und zufrieden, Richtung Frankfurt abgeflogen. Mitgenommen habe ich zahlreiche positiven Eindrücke von dieser Reise, wobei ich vor allem an die vielen, freundlichen Menschen von Nigeria denke.